Autokratenjets am Euro Airport – (wie) hängen Autoritarismus und fossile Energiesysteme zusammen
Episode 55 – Mai 2024
Der Flughafen Basel ist einer der wichtigsten Standorte für Diktatoren aus aller Welt. Sie lassen hier ihre Flugzeuge warten und zu Luxushotels umbauen. Das hat das Treibhaus- und WAV-Recherchekollektivmitglied Olivier Christe vor ein paar Wochen in einer gemeinsamen Recherche mit dem Journalisten, Autor und Historiker Milo Probst für die WOZ und das Online-Magazin ‘Das Lamm’ festgestellt. Die Liste der autoritär regierten Staaten, die in Basel ihre Flugzeuge warten, zeigt aber noch etwas anderes. Sie sind alle sogenannte ‘petrostates’, sind also stark auf Öl- und Gasexporte angewiesen. Wir wollten wissen, ob zwischen der Art der Energieproduktion und Regierungsformen kausale Zusammenhänge bestehen. Dafür haben wir mit der ‘Just-Transition’-Forscherin Juliane Schumacher sowie mit Alice Harrison gesprochen, Leiterin der Kampagne zu fossilen Brennstoffen bei der britischen NGO Global Witness.
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Die Hintergrundinformationen zur Episode
“Gibt es Energiesysteme, die demokratischer sind – und andere, die fast zwangsläufig zur Diktatur führen?” Dies fragt Juliane Schumacher in einem Artikel für die Rosa-Luxemburg-Stiftung: Neben ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit als ‘Just-Transition’-Forscherin am Leibniz Zentrum moderner Orient (ZMO) in Berlin ist Schumacher Autorin und Journalistin. Wir haben sie zum Gespräch getroffen. Schumacher relativiert zwar und sagt, dass es für die obige These keine wissenschaftliche Grundlage gäbe, doch hilft genau dieser differenzierte Blick, Probleme beim Namen zu nennen, ohne allzu einfache und oberflächliche Narrative zu bedienen.
Über die umgekehrte Richtung, also den Einfluss autoritär regierter Ölstaaten auf die internationale Klimapolitik, haben wir mit Alice Harrison, Kampagnenleiterin für fossile Brennstoffe der britischen NGO Global Witness gesprochen. Die Organisation untersucht den Zusammenhang der Nutzung natürlicher Ressourcen mit Korruption, Menschenrechtsverletzungen und Konflikten. Auf die autoritären Staaten angesprochen, die in Basel ihre Flugzeuge warten lassen, hebt sie vor allem zwei hervor: die Vereinigten Arabischen Emirate und Aserbaidschan. Sie organisieren im letzten und diesem Jahr die wichtigste internationale Klimakonferenz COP und in beiden Fällen wählten sie als Präsidenten bedeutende Vertreter der jeweiligen staatlichen Öl- und Gaskonzerne ADNOC und SOCAR. Harrison sagt deshalb: «Wir werden die Klimakrise nie ‘lösen’, wenn die Menschen, die dafür verantwortlich sind, die Klimaverhandlungen leiten.»
Wie aber auch schon Schumacher zeigt Harrison auf, dass dafür bei Weitem nicht nur autoritär regierte Ölstaaten verantwortlich sind. Sie verweist dazu auf eine Studie, die zeigt, wie demokratisch regierte Staaten wie Frankreich, Italien, Grossbritannien oder auch die EU fossile Lobbyistinnen als offizielle Mitglieder ihrer Regierungsdelegationen an die COP28 nach Dubai schickten.
Wie also berechtigte Kritik an autoritären Regimen üben, wenn westliche Demokratien die Klimakrise ebenso vorantreiben und autoritäre Herrscher unterstützen? Auch darüber haben wir mit beiden Gesprächspartner:innen gesprochen.