Tödliche Hitzewellen – und was «climate shelters» bringen
Episode 54 – April 2024
Das Urteil des Europäischen Gerichts für Menschenrechte zur Klage der Klimaseniorinnen hat bestätigt, was Epidemiolog:innen schon lange sagen: Verletzliche Menschen, darunter ältere Frauen, sind bereits heute stark durch die zunehmenden Hitze gefährdet. Sie sind dem Risiko eines Hitzetodes sogar dermassen stark ausgesetzt, dass ihre Menschenrechte, ihr Recht auf Unversehrtheit und Gesundheit, nicht ausreichend respektiert wird. In Episode 54 beschäftigen wir uns mit Hitzewellen – und der Frage, wieso diese für immer mehr Menschen gesundheits- oder sogar lebensgefährlich werden. Wir sprechen mit dem Klimawissenschaftler Samuel Lüthi, Postdoc an der ETH Zürich, der 2023 eine alarmierende Studie zur zukünftigen Entwicklung der globalen Hitzemortalität publiziert hat. Ana Terra Amorim-Maia vom baskischen «Center for Climate Change» erzählt uns, was bei den «climate shelters» in Barcelona gut funktioniert und was nicht. Und Kathrin Foshag, leitende Wissenschaftlerin vom Geographischen Instituts der Universität Heidelberg erklärt, wie sie mit einer Art «Google Maps» für hitzeangepasste Wege verletzlichen Menschen eine Möglichkeit bieten will, sich selbst besser vor der Hitze zu schützen.
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Die Hintergrundinformationen zur Episode
Vielen Klimaforschenden wurde 2003 erstmals bewusst, welche verheerenden Auswirkungen Hitzewellen haben können. Flüsse liefen trocken, in Bächen starben die Fische, Ernten vielen aus. Vielerorts wurden tagelang Temperaturen von über 40°C gemessen, auch in der Schweiz, im Graubünden waren es 41.5°C. In Sevilla stiegen die Temperaturen sogar auf 45°C. Es war der heisseste Sommer seit über 450 Jahren. Allein in Europa starben damals 70`000 Menschen aufgrund der Hitze – und die wirtschaftlichen Schäden waren enorm. Klimawissenschaftler:innen konnten später aufzeigen, dass ein solcher Sommer ohne die menschengemachte globale Erhitzung nicht denkbar gewesen wäre. Seither erleben wir immer häufiger Hitzewellen, zuletzt 2019, 2022, 2023 – und auch 2024: In Kerala in Indien mussten bereits im April die Schulen schliessen, aufgrund von Temperaturen, die sich wegen der hohen Feuchtigkeit wie 46 °C anfühlten. Auch die Philippinen, Bangladesch und Thailand sind betroffen.
Laut Gesundheitsexpert:innen starben 2019 während der Hitzewelle weltweit 345`000 Menschen über 65 Jahre an der Hitze. Obschon Hitzewellen im Kontext der Klimakrise der Killer schlechthin sind, sprechen Politiker:innen nur selten davon. Das enorm hohe Mortalitätsrisiko wird weitgehend ausgeblendet. Und in der öffentlichen Wahrnehmung sind die Risiken durch Überschwemmungen, Dürren und Hurricanes wesentlich präsenter.
Doch das ist riskant, wie nicht zuletzt eine Studie von ETH-Klimawissenschaftler Samuel Lüthi zeigt, die er letztes Jahr gemeinsam mit 19 Kolleg:innen im Magazin «Nature Communications» veröffentlicht hat. Sie konnten durch Zusammenführen von Klimadaten und epidemiologischen Daten aus der ganzen Welt zeigen, wie sich die Hitzemortalität, also die Todesfälle aufgrund von Hitze, in Zukunft entwickeln könnte. Die Studie zeigt zum Beispiel, dass die Übersterblichkeit eines «Jahrhundertsommers» wie 2003 heute alle zehn bis zwanzig Jahre zu erwarten ist. Und in einer Zwei-Grad-Welt sogar alle zwei bis fünf Jahre.
Barcelona gehört zu den Städten, die schon heute aussergewöhnlich stark von der Klimakrise und von Hitzewellen betroffen sind. Deshalb hat die Regierung unter der früheren Stadtpräsidentin und Klimaaktivistin Ada Colau über 200 «climate shelters» eingerichtet, Räume, die Schutz bei Hitze bieten. Wir haben mit Ana Terra Amorim-Maia vom baskischen Center for Climate Change gesprochen, die zu den «climate shelters» in Barcelona geforscht hat. Und wir haben Kathrin Foshag, leitende Wissenschaftlerin vom Geographischen Instituts der Universität Heidelberg zum Projekt «Heal» befragt. Sie und ihre Kolleg:innen wollen eine Art «Google Maps» für hitzeangepasste Wege entwickeln, damit verletzliche Menschen ihre Wege so wählen können, dass sie sich besser vor der Hitze schützen können.