Fürs Klima, gegen Krieg. Es braucht keine Entscheidung.
Episode 59 – Oktober 2024
Kriege, Krisen, Autoritarismus. Es scheint irgendwie, als müssten wir uns entscheiden: Demokratische Grundrechte verteidigen, gegen Kriegstreiber einstehen oder für mehr Klimaschutz kämpfen. Die Psychologie kennt dazu die ‘Conservation of Resources’-Theorie. Diese postuliert, dass jedes Individuum dazu geneigt ist, seine eigenen Ressourcen zu bewahren. Heisst das, wir müssen zwingend fokussieren und vor dem Rest die Augen verschliessen? Wir haben mit Arshak Makichyan, russisch-armenischer Klimagerechtigkeits- und Anti-Kriegsaktivist, sowie mit Brigitte Lueger-Schuster, Universitätsprofessorin für Psychotraumatologie, gesprochen.
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Die Hintergrundinformationen zur Episode
In einer Zeit multipler Krisen, Kriegen und zunehmendem Autoritarismus scheint die Klimagerechtigkeitsbewegung zu verblassen. In den Vordergrund tritt das akut Spürbare. Aber sind Antikriegs- überhaupt klar von anderen Gerechtigkeitsbewegungenzu trennen? Gibt es eine Hierarchie der Krisen? Nein, sagt der russisch-armenische Klimagerechtigkeits- und Antikriegsaktivist Arshak Makichyan. “Ich glaube, dass all diese Krisen miteinander verbunden sind, es geht um Kolonialismus, es geht um die Ausweitung des Kapitalismus, auch um die Verteidigung der Demokratie.” 2019 hat er 40 Wochen lang alleine auf dem Pushkin Platz in Moskau für Klimagerechtigkeit demonstriert. Jeden Freitag alleine, weil in Russland zu dieser Zeit nur Solodemonstrationen keine Bewilligungen benötigten. Inzwischen lebt Makichyan in Deutschland; “Ich habe in ständiger Angst gelebt, ich wurde verhaftet, und nachdem ich mich gegen den Krieg und für ein Ölembargo ausgesprochen habe, wurde meine Familie deportiert. So etwas kann man sich in einem westeuropäischen Land nicht vorstellen.”
Für Klimagerechtigkeit einzustehen bedeutet auch, Menschenrechte zu verteidigen. Dabei werden die unterschiedlichen Krisen nicht gegeneinander ausgespielt. Im Gegenteil: Solidarität und Empathie wird gefördert. Das ist zentral für Gerechtigkeitsbewegungen, denn eine Zunahme von Krisen hat einen direkten Einfluss auf unseren Alltag. Brigitte Lueger-Schuster, Professorin für Psychotraumatologie an der Universität Wien sagt erstmal, dass Krisen sich dadurch definieren, dass ein Mittel oder Modell fehlt, mit etwas umzugehen. Gerade die zunehmende Nähe einer Bedrohungssituation weckt in uns in erster Instanz eine Ladung an Gefühlen: “Das sind Emotionen von Hilflosigkeit, Hoffnungslosigkeit, Perspektivlosigkeit, Resignation. Manchmal aber auch Wut und Zorn auf diejenigen, die Schuld sind.” Die Frage bleibt, wie wir als Menschen damit umgehen. Dabei spielt die psychologische Ebene der Selbstwirksamkeit eine entscheidende Rolle: “Ich habe etwas bewirkt und zwar mit meinem Tun”, erklärt Brigitte Lueger-Schuster weiter. Das andere sei eine Frage von Haltung: “Wie sehe ich die Welt? Sehe ich mich als eine Person mit einer gewissen Wirkmacht und sehe ich mich als Person, die diese Wirkmacht nicht nur zur Optimierung der eigenen Ressourcen nützt, sondern sich als Teil einer Gesellschaft, einer Gemeinschaft sieht.”