Gegen «doom & gloom»: Wie konstruktiv über die Klimakrise berichten?
Episode 62 – Januar 2025
In Europa wurde 2024 zum ersten Mal mehr Elektrizität aus Sonnenenergie produziert, als aus Kohle. Ein Meilenstein. Gleichzeitig stampft der neue US-Präsident Programme zur Förderung von erneuerbaren Energien wieder ein und tritt aus dem Abkommen von Paris zurück. Dies, während in Los Angeles die Wälder brennen und weltweit Menschen vor Wetterextremen fliehen müssen.
Wie über solche Ereignisse berichten? Auf was fokussieren? Sollen wir die positiven Entwicklungen in den Vordergrund stellen – oder die Rückschritte und Katastrophen? Wir haben uns diese Fragen im treibhaus-Redaktionsteam in den letzten Monaten oft gestellt. Und wir haben uns entschlossen, die erste Episode im Jahr 2025 genau dieser Frage zu widmen und darüber zu diskutieren, wie wir zukünftig über die Klimakrise berichten wollen.
Ein Gespräch mit Anna Ida Fierz, Christoph Keller, Esther Petsche, Lena Schubert, Olivier Christe und Samuel Schlaefli.
Abonniere tre!bhaus – der klimapodcast auf Soundcloud, Spotify und iTunes.
Die Hintergrundinformationen zur Episode
Fazit aus unserem Gespräch: Wir wollen bei «treibhaus!» weder einen Katastrophenjournalismus (aka «doom & gloom») betreiben, noch einen unkritischen «feel good»-Journalismus. Was uns viel attraktiver scheint, ist eine kritische, aber konstruktive Berichterstattung, die auf Lösungen fokussiert. Studien zeigen, dass immer mehr Menschen keine Medien mehr konsumieren. Von der «news fatigue» sind besonders Junge betroffen. Sie vermeiden Journalismus, weil News über Kriege, Katastrophen und Verbrechen lähmend und deprimierend sind und sie ratlos zurücklassen. Das ist ein Problem. Denn News-Deprivierte gehen mit geringerer Wahrscheinlichkeit wählen, als aktive Medienkonsument:innen. Wir wollen das Gegenteil. Einen konstruktiven Klimajournalismus, der selbstermächtigend und motivierend wirkt. Laut dem «Constructive Institute» in Dänemark zeichnet sich ein konstruktiver Journalismus durch drei Charakteristiken aus.
Erstens: Er fokussiert auf Lösungen. Das heisst nicht, dass er nicht kritisch sein soll. Aber er geht über die Problematik hinaus und stellt immer auch die Frage: Und was jetzt? Was wären mögliche Lösungsansätze für ein konkretes Problem? Und gibt es woanders vielleicht bereits Lösungen, die auch für unser Problem funktionieren könnten?
Zweitens: Er ist so nuanciert wie möglich. Ein konstruktiver Journalismus versucht der Komplexität der Realität gerecht zu werden – und verkürzt nicht unzulässig zugunsten einer einfach konsumierbaren Geschichte. Er lässt Grautöne zu.
Und drittens: Konstruktiver Journalismus bietet Hand für konstruktive Debatten und stärkt dadurch die Demokratie (hier ein tolles Beispiel). Und genau davon braucht es mehr in diesen polarisierten, tumulthaften Zeiten voller autokratischer Aspirationen.
Studien zeigen, dass dieser Ansatz funktioniert. Medienwissenschaftler:innen und Neuropsycholog:innen haben in Experimenten gezeigt: Konstruktive Geschichten haben einen positive Effekt auf die Stimmung von Medienkomsument:innen – und dadurch wirken sie motivierend (Stichwort «Empowerment»). Studien zeigen auch, dass die Aufmerksamkeit bei konstruktiven Geschichten grösser ist und Leser:innen oder Hörer:innen eher bereit sind die ganze Geschichte zu lesen oder zu hören und sich vertieft mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Weniger klar ist derzeit noch, inwiefern sich das auch in den Alltag überträgt, inwiefern also eine konstruktive Berichterstattung dazu führt, dass zum Beispiel mehr Zug gefahren oder vegetarisch gegessen wird. Doch gerade als Klimajournalist:innen sehen wir noch einen weiteren positiven Effekt: Eine konstruktive Perspektive hilft auch uns, die Hoffnung nicht zu verlieren und mental gesund zu bleiben. Und nur so haben wir die Kraft auch weiterhin mit viel Hingabe über die wichtigste Geschichte unserer Zeit zu berichten.