In Kreisläufen produzieren - nicht auf den Abgrund zu
Episode 22 – September 22
Wollen wir das 1.5°C Klimaziel erreichen, so führt kein Weg an einem Totalumbau der Wirtschaft vorbei. Die «cirular economy», oder auf Deutsch Kreislaufwirtschaft, ist dafür das wohl prominenteste Konzept. In den letzten Jahren ist es zum Buzzword schlechthin geworden. Praktisch kein namhaftes Unternehmen, dass sich nicht im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitsstrategie zum Ziel gesetzt hat, ein «kreislaufwirtschaftliches» Unternehmen zu werden. Coca Cola und Danone machen mit und das WEF macht sich im Rahmen der «Platform for Accelerating the Circular Economy» (PACE) für die Kreislaufwirtschaft stark. Doch was steckt hinter diesem Begriff genau? In dieser Episode durchleuchten wir das Konzept der «cirular economy», zeigen auf, wo Produktion tatsächlich zirkulär und neu gedacht wird und wo der Begriff in erster Linie für «Greenwashing» genutzt wird. Diese Episode wurde im Rahmen des Projekts «Wechselwirkung» an der Fachhochschule Nordwestschweiz auf dem Campus der Künste in Basel vor Publikum und mit Studierenden zusammen aufgenommen. Wir bedanken uns nochmals für die Einladung!
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Die Hintergrundinformationen zur Episode
Mehrweggeschirr für Städte, Säfte aus dem Abfall der Kakaofrucht und aufgearbeitete Kunststofffasern für die Produktion von Badehosen und Bikinis – das alles läuft heute unter Kreislaufwirtschaft. Der Milliardenkonzern Danone zum Beispiel will bis 2025 weltweit eine vollständig kreislaufwirtschaftliche Marke werden. Was dies genau bedeutet bleibt jedoch unklar.
Laut der Ellen MacArthur Foundation geht es bei der Kreislaufwirtschaft vor allem darum Material- und Produktkreisläufe durch unterschiedliche Massnahmen zu schliessen. Die «circular economy» beinhaltet systemische Innovationen, um Abfälle zu verhindern und negative Umwelteinflüsse zu minimieren. In Verbindung mit erneuerbarer Energie soll das zirkuläre Modell sowohl ökonomisches, natürliches und soziales Kapital schaffen. Wichtige Komponenten einer Kreislaufwirtschaft sind Teilen, Wiederverwenden, Reparieren und Recylen von Produkten.
Von einem solchen «zirkulären» System sind wir derzeit aber noch meilenweit entfernt. Laut einem Bericht der Weltbank von 2018 produzieren die Haushalte weltweit jährlich rund 2 Milliarden Tonnen Abfall in Form von Feststoffen. 13.5% werden rezykliert und 5.5% kompostiert. Der Rest verbrannt oder auf Abfallhalden abgeladen. Rund 40% der Abfälle werden bis heute auf unkontrollierten Abfallhalden abgeladen oder ohne Abgasfilter verbrannt. Und das vielleicht erschreckendste: Laut Hochrechnungen könnte die Abfallmenge bis 2050 um 70 Prozent auf 3.4 Milliarden Tonnen ansteigen. Wenn wir also unsere Art zu produzieren und zu konsumieren nicht drastisch ändern, steuern wir auf eine Abfallkatastrophe zu.
Das Recycling ist – wenn auch nicht unumstritten – eine Möglichkeit, um Rohstoffe im Kreislauf zu halten. Doch gerade hier zeigt sich eines der grossen Probleme unserer aktuellen Produktionsweise: Ein Joghurtbecher zum Beispiel besteht laut «Cradle to Cradle»- Mitgründer Michael Braungart aus etwa 600 verschiedenen Chemikalien, damit er möglichst leicht und billig ist. Die ganzen Antioxidantien, Hitze-Kälte-Stabilisatoren und Füllstoffe aufzusplitten, damit sie wiederverwertet werden können, wäre ein riesiger Aufwand. Solche Materialen «im Kreislauf zu halten» ist weder möglich noch sinnvoll.
Wir haben in dieser Episode mit Catharina Bening gesprochen, Senior Researcher in der Gruppe für Nachhaltigkeit und Technologie der ETH Zürich. Wir wollten von ihr wissen, wo es heute noch hackt mit der zirkulären Wirtschaft und ob sie tatsächlich mehr ist, als ein Phantasma zur Legitimierung von «grünem» Wachstum. Und wir sprechen mit Evelyne Roth, Mode- und Textildesignerin an der FHNW. Sie hat die schweizerische Textilindustrie in Sachen Nachhaltigkeit beraten und erklärt uns, wie Designprozesse heute neu gedacht und gestaltet werden müssen, damit Produkte am Ende im Kreislauf bleiben können.
Was uns nach der Recherche und den Gesprächen klar wurde: Die grosse Offenheit vieler Unternehmen gegenüber der «circular economy» – auch solcher, die sonst eher als Verhinderer von Regulierungen zugunsten der Umwelt bekannt sind – ist nicht wirklich erstaunlich. Die Kreislaufwirtschaft ist nämlich auch das Versprechen, dass Wachstum und Nachhaltigkeit vereinbar sind. So wie das zirkuläre Modell heute von den meisten Unternehmen verstanden wird, stützt es das gängige Wachstumsparadigma. Damit wir die Kreislaufwirtschaft quasi zur praktischen Legitimierung der Theorie des «green growth», des grünen Wachstums. In dessen Zentrum steht das Versprechen, dass unendliches Wachstum und das Erreichen unserer Klimaziele keine Widersprüche sind.