Ist Klimaschutz Terrorismus?
Episode 20 – Juni 2021
Ohne den Druck von der Strasse hat’s eine Demokratie schwer. Das zeigt die Geschichte und Gegenwart. Er ist der Motor für Reformbestrebungen, Ausdrucksmöglichkeit für Menschen ohne Stimmberechtigung und Watchdog politischer Entscheide und Einflussnahme. Nun soll in der Schweiz ein Gesetz zur Kriminalisierung sozialer Bewegungen durchgewunken werden. Das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) schafft die Grundlage, um politische Aktivist*innen als terroristische Gefährder*innen rechtlich zu verfolgen.
Es ist die typisch schweizerische Arroganz, dass solche Gefahren nicht ernst genommen werden. Dass die Schweiz für alle Ewigkeit eine Vorzeigedemokratie bleiben werde und vor autoritären Tendenzen gefeit sei. Es passiert in Ungarn, in der Türkei, in Indien und Brasilien, aber sicher nicht in der Schweiz. Diese Episode gilt den Gefahren, die vom PMT-Gesetz auf die Klimagerechtigkeitsbewegung in der Schweiz ausgeht. Abgestimmt wird am 13. Juni.
Abonniere tre!bhaus – der klimapodcast auf Soundcloud, Spotify und iTunes.
Die Hintergrundinformationen zur Episode
In den frühen Morgenstunden des 26. Mai drang die Bundespolizei bei Klimastreik-Aktivist*innen aus dem Kanton Waadt ein. Hausdurchsuchung, Beschlagnahmungen von Computern und Mobiltelefonen, stundenlange Befragungen. Der Grund: ein offener Brief, das Militär zu boykottieren. Wenige Tage später macht der TagesAnzeiger publik, dass es Bundesrätin Karin Keller-Sutter war, die die Aktion mit ihrer Unterschrift in Gang setzte. Das, obwohl der Gesamtbundesrat bereits vor einem Jahr festgestellt hat, dass hier Meinungsfreiheit vorliege und die Sache nicht strafrechtlich verfolgt werden sollte.
Es gibt nur eine Bundesrätin Keller-Sutter. Das ist erstaunlich, weil diese seit Wochen durch das Land tourt und verspricht, dass das neue Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT) nicht gegen politische Aktivist*innen eingesetzt würde. Nun beweist sie bereits vor Inkrafttreten des Gesetz’, dass sie bereit ist, weitreichende ihr zur Verfügung stehenden Mittel zur Bekämpfung unliebsamer politischer Aktivist*innen einzusetzen.
Es ist auch die Keller-Sutter, die offen behauptet, dass die neue Terrorismusdefinition identisch mit der bestehenden im Nachrichtendienstgesetz sei. Obwohl nachgelesen werden kann, dass bei zweiterer eine Anwendungsvoraussetzung vorliegt, bei der ein «bedeutendes Rechtsgut wie Leib und Leben oder die Freiheit von Personen oder der Bestand und das Funktionieren des Staates betroffen ist». Dieses fehlt im neuen Gesetzesentwurf.
Die Rechtsanwältin Eva Schürmann ordnet diesen neuen Gesetzesentwurf für uns ein und vergleicht ihn dazu mit der Handhabung des Landfriedensbruchartikels. Sie sagt: «Die Strafverfolgungsbehörden sind in ihrem Handeln immer auch politisch gefärbt. Solche Gesetze schaffen die Grundlage für eine rigorose Anwendung.»
Der 13. Juni ist ein zentraler Tag für die Schweizer Klimapolitik. Nicht nur wegen dem PMT-Gesetz. An diesem Tag wird auch über das CO2-Gesetz abgestimmt, dessen Ablehnung vergleichbar mit dem US-amerikanischen Ausstieg aus dem Pariser Klimaübereinkommen im letzten November wäre. Und zwei Agrarinitiativen stehen an der Urne, die auch darüber entscheiden, ob die industrielle Landwirtschaft weiterhin einer der grössten Treibhausgasemittenten sein darf.