Mit Atomkraft gegen die Klimakrise
Episode 23 – Oktober 2021
Eine alte Diskussion flammt neu auf: Die Atomkraft soll Abhilfe schaffen in der Klimakrise. Doch Studien zeigen: das wird sie nicht. Zu hoch die Kosten, die Risiken, die offenen Probleme bei der Abfallentsorgung. Neue Reaktortypen werden frühestens in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts bereit sein. Die Klimakrise ist jetzt. Dennoch halten ihre Befürworter an ihr fest. Wir sprechen mit einem Industrievertreter sowie mit einer Energieexpertin. Und wollen von einem ehemaligen Anti-AKW-Aktivisten wissen, was er von der Klimagerechtigkeitsbewegung hält.
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Die Hintergrundinformationen zur Episode
Erdbeben, Tsunami. 18’000 Menschen sterben. Das Gebiet um Fukushima ist grossflächig verstrahlt. Radioaktives Wasser fliesst ins Meer.
Die Reaktion weltweit lässt nicht lange auf sich warten. “Nie mehr Atomkraft” – auch in der Schweiz. 2011 beschliessen Bundesrat und Parlament das Ende der Kernenergie. Wann die letzten Reaktoren abgeschaltet werden bleibt aber unbestimmt. Entschiedener in Deutschland: 2022 geht das letzte AKW vom Netz.
Zehn Jahre sind seit Fukushima vergangen und die Diskussion hat sich verlagert. Die Atomkraft soll Teil der Lösung in der Klimakrise sein. So ihre Befürworter. Viel spricht dagegen. Fakt ist aber: Atomkraftwerke produzieren CO2-arme Energie.
Mitten in der Klimakrise, in diesen entscheiden Jahren, ist die Angst zweierlei: darf mit der Atomkraft ein potentieller Beitrag zur Bewältigung der Klimakrise verworfen werden ODER verliert sich diese Diskussion gerade in PR-Schlaufen der Atomlobby, während wertvolle Jahre verstreichen?
Unsere Gesprächspartnerin Claudia Kemfert, Leiterin Energie, Verkehr und Umwelt am deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ist deutlich: “Es ist schade, dass wir uns dauerhaft mit Kernenergie beschäftigen. Lassen Sie uns lieber über Techniken der Zukunft reden statt der Vergangenheit.”Über die Zukunft spricht auch Matthias Rey, Kommunikationsverantwortlicher des Nuklearforums, einem der wichtigsten Interessensverbände der Atomindustrie in der Schweiz. In dieser Zukunft sieht er bedeutende Innovationen in der Kernforschung, etwa die Fusionskraft.
Treibhaus hat die Fakten geprüft: Die Fusionskraft, bei der Temperaturen über 100 Millionen Grad erzeugt werden müssen, befindet sich noch in der Versuchsphase und wird frühestens in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts bereit sein. Die Klimakrise aber findet jetzt statt. Die AKWs in der Schweiz gehören zu den ältesten der Welt und müssen bald vom Netz. Um den Standort für ein Endlager wird noch immer gerungen. Doch auch die möglichen Standorte im Kanton Aargau oder Zürich wären nicht mehr als langfristige Zwischenlager. Aufgrund der Plattentektonik ist es schlicht grössenwahnsinnig, Vorhersagen über einen Zeitraum von mehreren zenhtausend bis zu einer Million Jahre zu machen. So lange muss Atommüll sicher gelagert werden, wie das Bundesamt für Umwelt (BAFU) festhält.
Eine unverhältnismässige Gefahr ist nicht nur die Lagerung, sondern auch der Betrieb – gerade in einer sich verändernden Umwelt mitten in der Klimakrise. Klimabedingte Veränderungen werden vermehrt zu Ausfällen führen und stellen ein ernstzunehmendes Sicherheitsrisiko dar.
Kernenergie ist CO2-arm. Dennoch ist das Risiko, die laufenden Reaktoren weiterzubetreiben, zu hoch und das Müllproblem ungelöst. Künftige nukleare Technologien kämen zur Bewältigung der Klimakrise viel zu spät. Kemfert führt die Diskussion auf den Boden zurück: “Wir haben Lösungen, das sind die erneuerbaren Energien, und die sollten wir auch einsetzen.”